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“Drop-out” – PatientInnen in der Homöopathie:

Eine Befragung zur Zufriedenheit in der homöopathischen Behandlung

 

Homöopathischer Qualitätszirkel Zürich

 

Peter Christen, Alexander Erlach, Gisela Etter, Heidi Geissbühler, Rodolfo Roth, Cornelia Siles, Thomas Walser, Andreas Wegmüller

 

Fragestellung

 

Eine homöopathische Behandlung wird häufig von PatientInnen mit chronischen Erkrankungen beansprucht und erstreckt sich deshalb über eine längere Zeitdauer. Trotzdem bricht mit einem Teil von ihnen der Kontakt vorzeitig ab, ohne dass die Behandlung formell abgeschlossen wurde. Die Gründe für diese Therapie-Abbrüche zu eruieren ist die Absicht der vorliegenden Untersuchung.

Methode

Eine seit 5 Jahren bestehende Studiengruppe von sieben homöopathischen Aerztinnen und Aerzten, die seit kurzem in der Form eines Qualitätszirkels arbeitet, entwarf gemeinsam einen Fragebogen, der an 190 “drop-out” – PatientInnen verschickt wurde. Berücksichtigt wurden alle PatientInnen mit Behandlungsbeginn ab Januar 1996, welche sich zum Zeitpunkt der Fragebogenerhebung im September 1998 ohne formellen Therapieabschluss mindestens ein Jahr nicht mehr gemeldet haben. Es resultierte ein Rücklauf von 113 Fragebogen (59,5%), wobei mindestens 10 von 190 Fragebogen wegen Wegzug nicht zustellbar waren

Resultate

 

Die Behandlungsdauer bis zum Abbruch varierte von einem Minimum von einem Monat bis zu einem Maximum von 21 Monaten. Der Hauptanteil liegt dabei in den ersten neun Monaten mit nur noch vereinzelten späteren Abbrüchen.

 

Auf die Frage nach dem Gesundheitszustand beim Abbruch der homöopathischen Behandlung im Vergleich zum Therapiebeginn antworteten 4 mit “schlechter”, 26 mit “unverändert”, 34 mit “leicht gebessert” und 33 mit “deutlich besser”.

 

Gesundheitszustand bei Abbruch der homöopathischen

Behandlung

deutlich besser   33  (34%)

leicht gebessert  34  (35%)

unverändert          26  (27%)

schlechter            4   (4%)

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei der Frage nach der Viagra Wirkung der Behandlung auf die Beschwerden ergab sich ein nur wenig anderes Bild: mit “Heilung” antworteten 33, “teilweiser Linderung” 49, “keiner Veränderung” 23 und “Verschlechterung” 1.

Gefragt nach der Zufriedenheit mit der homöopathischen Behandlung insgesamt äusserten sich 31 “sehr zufrieden”, 55 “zufrieden”, 9 “unzufrieden” und 8 “enttäuscht”.

 

Zufriedenheit in der homöopathischen Behandlung

sehr zufrieden     31 (27%)

zufrieden               55 (49%)

unzufrieden          9  ( 8%)

enttäuscht            8  ( 7%)

keine Nennung   10   (9%)

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Gründe, warum keine weitere homöopathische Behandlung mehr beansprucht wurde, führten die Befragten an: “Heilung oder deutliche Besserung” 47, “Erfolglosigkeit der Behandlung” 18, “persönliche Schwierigkeiten mit Aerztin/Arzt” 11, “finanzielle Gründe” 2. Als weitere Gründe unter “Behandlung mit anderen Heilmethoden” wurden neben 6 Nennungen für Schulmedizin je einmal genannt: Physiotherapie, Gesprächstherapie, Hypnose, Ernährungsumstellung, anthroposophische Medizin, Akupunktur, chinesische Medizin, Shiatsu, Heilpraktiker, Bachblüten, Bioresonanz und Astrologie. Unter “anderen Gründen” wurde am häufigsten genannt: falsche Erwartungen (an Vorgehensweise, Intensität der Befragung, Dauer, Reaktionen auf Arzneimittel), schlechte Erreichbarkeit (speziell in Akutsituationen) und geografische Distanz.

 

Zur Kontrolle schätzten die beteiligten Aerztinnen und Aerzte den Anteil verschiedener Therapieabbruch-Gründe selber ein: Unzufriedenheit mit der Behandlung/fehlender Behandlungserfolg  30% - 80%, Heilung/weitgehende Besserung 5%– 40%, Wechsel zu anderen Heilmethoden 20% – 35%, gestörte Arzt-Patientenbeziehung 5% - 20%, Wegzug/weiter Weg 5%-10%, falsche Erwartungen/Vorstellungen von Homöopathie 10%-20%.

 

Weiterhin aktuelles Interesse an der Homöopathie bekundeten 97 Befragte, wo hingegen 10 nicht mehr interessiert waren. Gelegentliche Selbstbehandlung mit einer homöopathischen Hausapotheke bejahten 42, verneinten 53.

 

Die Antworten auf die Frage nach möglichen Verbesserungen des Behandlungsablaufs lassen sich in vier Themenbereiche einordnen:

 

1)       Bessere Information:

-          bezüglich Behandlungsablauf und dessen Vermittlung speziell gegenüber den Kindern

-          über die Homöopathie als Methode

-          über zulässige Massnahmen bei akut auftretenden Symptomen im Rahmen der homöopathischen Behandlung einer chronischen Krankheit

 

2)       Individuelle Vorschläge zur Verbesserung der Arzt – Patientenbeziehung (wiederum v.a. bei Kindern)

 

 

3)       Bessere telefonische Erreichbarkeit in Akutfällen und Vertretung bei Abwesenheit

 

 

4)       Bessere Integration der Schulmedizin und anderer naturheilkundlicher Methoden

 

Unter “sonstigen Bemerkungen” erscheinen viele positive auf Einzelfälle bezogene Feedbacks, Kommentare über persönliche Schwierigkeiten mit und während der Behandlung und Unsicherheit/Zweifel über den Anteil der Homöopathie am Therapieerfolg (bei gleichzeitiger Anwendung anderer Therapieformen).

 

Diskussion

 

Aehnlich wie bei psychotherapeutisch arbeitenden AerztInnen ist die Beziehung zwischen homöopathisch arbeitenden AerztInnen und PatientInnen intensiv. Häufig handelt es sich um chronische Erkrankungen mit entsprechend langdauernden Behandlungen ohne schnellen Abschluss. Therapieabbrüche erhalten deshalb einen besonderen Stellenwert. In unserem Qualiätszirkel gewannen wir den Eindruck, dass sie je nach HomöopathIn einen beträchtlichen Anteil der in der Behandlung stehenden PatientInnen ausmachen können. Bisher bestand eine grosse Unsicherheit über die Gründe, die zu diesen Abbrüchen geführt haben, da im Gegensatz zur Psychotherapie diese Frage in der Homöopathie noch nie untersucht wurde. Im Sinne des zirkulären Arbeitens schätzten zuerst die beteiligten HomöopathInnen die Abbruchgründe selber ein, um sie nachher mit den Resultaten der Fragebogen-Untersuchung zu vergleichen mit dem Ziel einer verbesserten Selbsteinschätzung der eigenen Arbeit.

 

Die grosse Streubreite der Selbsteinschätzung führen wir auf die unterschiedliche Arbeitsweise und subjektive Selbstwahrnehmung der teilnehmenden AerztInnen zurück. Ueberraschenderweise zeigt sich nämlich, dass mehr als 2/3 der Therapieabbrüche auf eine Besserung der Beschwerden und Zufriedenheit mit der homöopathischen Behandlung zurückzuführen sind. Wir sind uns dabei bewusst, dass hier teilweise ein Artefakt zu unseren Gunsten vorliegen dürfte, nämlich “dem Doktor gefallen zu wollen”. Neben der fehlenden Besserung der Beschwerdem sind falsche Erwartungen ein wichtiger weiterer Grund für Therapieabbrüche. Mit der Erfahrung schnell wirkender, symptomunterdrückender allopathischer Medikamente erwarten viele PatientInnen eine ähnlich schnelle Heilung durch die homöopathische Behandlung. Als die Selbstregulation beeinflussende Methode braucht die wirkliche Heilung chronischer Krankheiten unter Umständen aber mehrere Jahre. Polypragmasie, wie sie zum Teil von Cialis Apotheken und Drogerien suggeriert wird, fördert zusätzlich eine “Konsumhaltung” , die der Vorgehensweise in der klassischen Homöopathie widerspricht.

 

 

Schlussfolgerungen für unsere zukünftige Arbeit

 

1)       Verbesserte Information gegenüber den PatientInnen: über Möglichkeiten und Grenzen der Homöopathie als Methode, den nötigen Zeitrahmen, Aufklärung bezüglich Behandlungsablauf und dessen Vermittlung speziell gegenüber Kindern. Eine sinnvolle Massnahme kann ein Vorgespräch sein zur Klärung der Motivation und Vermittlung des Krankheitsverständnisses in der Homöopathie.

 

2)       Verbesserte Information gegenüber allopathischen KollegInnen: Um falsche Erwartungen auch der überweisenden Schulmediziner zu vermeiden, ist eine bessere Information über die Heilmethode und eine aktivere Kommunikation und Zusammenarbeit mit der lokalen Aerztegruppe notwendig.

 

3)       Klarere Patientenführung: klarere Abmachungen über den weiteren Behandlungsablauf, Termine für follow-ups vereinbaren (statt unverbindliches Offenlassen), Behandlungsabschluss klar definieren.

 

4)       Bessere Erreichbarkeit: Die telefonische Erreichbarkeit besonders in Akutfällen sowie die Vertretung bei Abwesenheit sollten verbessert werden, da sie von Seiten der PatientInnen häufig Anlass zu Kritik geben. Ein regionaler homöopathischer Notfalldienst kann dieses Bedürfnis teilweise abdecken.

 

Fazit

 

Die Qualität unserer Arbeit wird von Patientenseite als besser beurteilt als wir sie selber einschätzten. Einige Möglichkeiten zur Verbesserung konnten erarbeitet werden.

 

 

Erschienen in Ars Medici 22-99 s. 1459-1460

© bei den Autoren

 

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